Samstag 19.10.2013, 7 Uhr
Nach einer langen, aber nicht sehr tiefschläfrigen Vollmondnacht, klingelt nun der nervende Wecker. Aufstehen!!!!
Mühselig raffe ich meinen schweißgebadeten Körper (immer nur in den Nächten vor den Jahreshauptläufen) aus dem Bett direkt unter die Dusche. Schnell bin ich munter. Uli schlummert noch kurz.
Nach gründlichem Anziehen der Wettkampfbekleidung (die Wahl fällt nicht leicht bei 3°C) geht es zum Frühstück. Mein Frischkornbrei (ist leckerer als es klingt) sucht sich gequält den Weg in den Magen. Danach Sachen packen und zum Startgelände laufen.
9:00 Uhr Start der Radfahrer für die Tour d’Allee auf Rügen.
Danach ein kurzes NDR-Fernseh-Interview mit mir (sehe ich etwa berühmt aus? – keine Ahnung). Wie lange haben sie sich auf den Marathon vorbereitet? Antwort: 7 Jahre. Gut, spontane Frage – klare Antwort. Die Reporterin guckt erstaunt. Ich füge hinzu. 13 Wochen gezieltes Training. Sie scheint erleichtert.
Eigentlich habe ich 30min vor dem Start besseres zu Tun als Interviews zu geben, aber es bremst etwas die Aufregung.
Vor dem Start gehe ich noch 3-4 Mal auf Toilette. Ein Kuss von Uli und dann geht es los zum Start.
Die Aufregung steigt.
3…2…1… Start!
Los geht es mit einem zügigen Tempo über das Stralsunder Kopfsteinpflaster. Nach 100 Meter verliere ich eines meiner zahlreichen High5-Gels. Pech. Weiter!
Ich reihe mich in die 2. Gruppe ein und gehe erst einmal mit. Tempo? Viel zu schnell! 4:10min/km.
Ein Rundkurs durch die Innenstadt, dann Richtung Rügenbrückenmonster! Die Strecke führt direkt darüber. 45 Meter hoch und ca. 2850 Meter lang. Mittlerweile habe ich mein Tempo gefunden. Km 5 ist passiert. 22:25min. Eigentlich immer noch zu schnell, aber ich fühle mich gut. Die 2. Gruppe hat sich zerstreut. Ich ganz am Ende. Nicht schlimm. Ich habe noch 37 Kilometer Zeit!
Auf Rügen angekommen durchlaufen wir Altefähr. Schrecklich viel Kopfsteinpflaster und abschüssige Gehwege erschweren da gleichmäßige Laufen. Konzentration ist gefragt.
Km 10 ist erreicht. Zeit: 44:30min, d.h. ca. 4:29min/km. Zu schnell, aber ich fühle mich gut.
Erste Verpflegungsstelle. Ein Becher Wasser. Für mehr habe ich keine Zeit. Ich überhole den Ersten vor mir. Ein gutes Gefühl.
Von nun an gibt es aller 2,5km eine Verpflegungsstelle. Sehr beruhigend. Essen brauch ich nicht, aber Getränke. Ich esse oder besser schlucke regelmäßig aller 5-8km ein Gel. 7 hatte ich am Start bei mir. Wer jetzt rechnet, merkt, dass das nicht ganz reicht, wenn ich 1 verloren habe…. Egal weiter!
Km 15. Weiter laufe ich deutlich unter 4:30min/km. Ich freu mich, habe aber dennoch Bedenken ab km 30 – zumindest bei dem Tempo.
Ich überlaufe weiter einige Läufer vor mir!
Ich freue mich im Übrigen sehr, wenn ich andere Läufer vor mir habe und ich mich ganz langsam an sie heranssaugen kann. Das motiviert mich ungemein!
Km 20. Ich glaube meiner Uhr kaum: 1:29:13Std. Krass. HM bei 1:33:59Std. Besser als mein HM im April in Leipzig! Training zahlt sich aus!
Die Wendestelle liegt bei km 26,5 in Rambin. Ich zähle die mir entgegenkommenden Läufer. 13. Ich bin 14.
Ab km 28 ist der km-Schnitt erstmals über 4:30min/km. Ich liebäugele eine Weile über eine Zeit unter 3:15Std. Lege diese Träume aber schnell bei Seite. Ich pegel mich auf 4:40min/km ein.
Ich überhole bis km 34 weitere Läufer und bin jetzt 11. .
Km 35. Das letzte Gel ist verbraucht. Ich trinke nun meist Cola und Wasser im Wechsel. Ich brauch Zucker!!!
Meine Oberschenkel fühlen sich mittlerweile wie Blei an. Und ich fange zu kämpfen an!
Der Geist ist stark, nur die Muskeln werden langsam zu einem mit Milchsäure genährtem Teil meines Körpers. Ich laufe nun seit mittlerweile 25 Kilometer mein Rennen alleine. Das ist nicht wirklich leicht. Die Verpflegungspunkte sind die einzigen sozialen Kontakte.
Km 36. Ich treffe auf die Halbmarathonis und kann mich motivieren mein nunmehr 5min+ Tempo nicht noch anwachsen zu lassen. Ich kämpfe mich stetig an Läuferinnen un Läufern vorbei.
Km 38. Die Rügenbrücke ist zu sehen. Wir laufen nun aber über den alten Rügendamm. Danke!! Denn der ist flach.
Km 39. Die ersten Krämpfe durchziehen meinen Oberschenkel auf der oberen Innenseite. Die schier bescheidenste Stelle, um den Krampf durch daraufschlagen wieder weg zu bekommen, wenn man die ganze Zeit weiter läuft. Ich könnt euch das einfach bildlich ausmalen!
Km 40 letzte Verpflegungsstelle. Ich haue mir 2 Becher Cola und ein Stück Banane rein. Bring zwar eh nix mehr, weil es der Körper bis zum Ziel eh nicht mehr aufnehmen kann, aber für die Psyche ist es ungemein von Vorteil!
Weitere Krämpfe plagen mich, aber ich kämpfe mich durch. Zwischenzeitlich hat mich die erste Marathonfrau überholt. Ich gratuliere ihr und lasse sie ziehen. Zwei weitere Marathonis passieren mich ebenso. Ich applaudiere anerkennend. Beide bekommen ein gequältes, aber Dank-sagendes Lächeln auf die Lippen.
Km 42,195. Das Ziel ist noch 300m entfernt.
Ziel. Ich versuche nochmal Gas zu geben. Es klappt. Glücklich überlaufe ich die Ziellinie (klicken, um Video zu sehnen) als 15. Gesamtwertung und 5. in der Altersklasse mit 3:20:56Std. die Ziellinie.
Ich sehe Uli und freu mich. Sie ist baff, mich jetzt schon zu sehen. Ach ja, ich auch! Ich hätte nicht gedacht, dass ich so deutlich unter 3:30Std. bleibe.
5 Meter nach dem Ziel. Nun krampft die Oberschenkel Vorder- und Rückseite gleichzeitig. Höllenschmerzen! Zwei Minuten lang! Dann geht es wieder. Der kraftlose Korpus lässt sich von den Sanitätern aufhelfen.
Uli kommt mir entgegen. Wir liegen uns in den Armen. Ich heule.
Ich bin glücklich!!!
Ich habe es geschafft!!!
(fr)
Herzlichen Glückwunsch Euch beiden. Das ist ja eine SUPERleistung.
Hey Frank, was für ein Lauf!!! Beim Lesen war es so, als ob man dabei gewesen ist. Große Klasse, unglaublicher Respekt zu dieser Leistung.
Liest sich wie ein Krimi. Voll spannend geschrieben, man hat fast das Gefühl, dabei gewesen zu sein und fiebert bis zur letzten Zeile mit.
Herzlichen Glückwunsch und Respekt zu deinem Kampfgeist!
Warst einfach super!!!! Dich so früh schon zu sehen, da hat sich doch alles gelohnt!!